330 GT Registry

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Der 250 GTE wurde vom hubraum- kleinsten aller Ferrari-V1 2-Triebwerk angetrieben: von einem durchzugsstarken 3-Liter-Motor.

Drei Viersitzer mit zwölf Zylindern: Ferrari 250 GT/E, 330 GT und 365 GT

 

Ferrari für Familienväter — lange Zeit undenkbar, seit 1960 Wirklichkeit! Tatsächlich entpuppte sich der allererste 250 GT/E 2 + 2 als Volltreffer, dessen Erfolg viersitzige Boliden aus Maranello zum festen Bestandteil des Ferrari-Programms werden ließ.

 

„Es gibt noch Herren und Knechte (in Italien), und nur an Herren können Ferrari, Maserati und Iso Rivolta ihre Autos verkaufen“, formulierte auto, motor und sport feinsinnig — wobei diese 1965 aufgestellte Behauptung natürlich nicht nur für die Südländer galt. Nehmen wir also keinen Commendatore, Dottore oder Cavaliere, sondern — ganz bodenständig — einen deutschen Herrn: Generaldirektor vielleicht, Chefarzt oder auch erfolgreicher Verleger. Der hat im Jahr 1961 50.000 Mark übrig und braucht ein Auto. Was tun? Vielleicht dies: Er könnte sich eine Goggo 250 Limousine zulegen und die restlichen 47.000 Mark... Aber halt! Das käme für ihn nie und nimmer in Frage. Da wäre ein 300 SL Roadster schon eher verlockend, zumal er 17.500 Mark „Wechselgeld“ zurück bekäme. Es sei denn, unser fiktiver Freund möchte mit einem Schlag — ratz-fatz — alles auf den Kopp hauen! Dann wird es schon schwieriger, da nur eine Handvoll Firmen in dieser Preisklasse angesiedelt waren: Bentley und Rolls-Royce, Facel-Vèga (mit dem viertürigen Excellence) oder Maserati (mit dem 5000 GT).

Und dann gab es natürlich die meist roten Renner aus Maranello, die auf den klangvollen Namen Ferrari hörten und auch nach Deutschland importiert wurden. Ende 1961 umfaßte das Angebot bei uns gleich drei Modelle für 53.000 Mark: das 250 GT/E Coupé 2 + 2, die swb-Berlinetta und den Califomia Spider; für das luxuriösere 250 GT Cabriolet waren 56.000 zu berappen. Unser imaginärer Chefarzt hatte also die Qual der Wahl, sofern es kein Viersitzer sein mußte, um Gattin, Gören und Gepäck an Bord zu nehmen und dann vollbepackt, aber im Renntempo ins Wochenende zu starten. Denn der 2+2-Sitzer war ein echter, heißblütiger Ferrari mit allen typischen Merkmalen. Wie dem bekannten Stahlrohrrahmen mit elliptisch geformten Längsträgern, über den dann die von Pininfarina gezeichnete und von ihm gebaute Außenhaut gezogen wurde.

Allerdings mußte das Chassis, das die interne Bezeichnung 508 E trug, modifiziert werden: Die gesamte Motor-Getriebe-Einheit war samt Lenkung ein paar Zentimeter nach vorne, der Tank ein paar Zentimeter nach hinten gewandert. Mehr Innenraum hieß die Devise — bei gleichgebliebenem Radstand von 2600 Millimetern! Ein vollsynchronisiertes Vierganggetriebe mit Overdrive (von Laycock de Normanville) kam zum Einsatz, eine hintere Starrachse (damals nichts Ehrenrühriges) sowie eine Bremsanlage mit Servo und Scheiben rundum. Die serienmäßige Hinterachsübersetzung betrug 4,57:1 und war für eine Spitze von 220 km/h und eine Beschleunigung von null auf 100 in 8,5 Sekunden gut; daneben gab es noch zwei „längere“ Hinterachsen, wodurch sich die Endgeschwindigkeit erhöhte, das Beschleunigungsvermögen dafür aber verringerte.

Das sehr konservativ wirkende 275er-Modell mit den charakteristischen
Entlüttungsschlitzen wurde von einem 3,3-Liter-Aggregat beflügelt.

Für viele Leute saß der eigentliche Leckerbissen des Autos unter der vorderen Haube: das prachtvolle Zwölfzylindertriebwerk. Dabei handelte es sich um jenen „kurzen“ Dreilitermotor (small block), der von Gioacchino Colombo entwickelt worden war und hier aus einem Hubraum von 2953 ccm (Bohrung x Hub: 73 x 58,8 Millimeter) exakt 240 PS bei 7000 Touren schöpfte. Das maximale Drehmoment betrug 26,7 mkg, allerdings bei sehr hohen 5000 U/min (manche Quellen sprechen sogar von 5500 Touren). Die besonderen Merkmale dieses Triebwerks waren die beiden in einem Winkel von 60 Grad zueinanderstehenden Zylinderreihen, die von je einer obenliegenden Nockenwelle gekrönt wurden; das Verdichtungsverhältnis betrug 8,8:1, der Zylinderkopf bestand aus einer Aluminium-Legierung und die Kurbelwelle lief in sieben Lagern. Drei Weber-Doppelvergaser (meist vom Typ 36 DCL oder DCF) sorgten für die Beatmung dieses optisch wie akustisch herrlichen Motors, der hier als Typ 1 28E mit außen- liegenden Zündkerzen und Schrauben- statt Haarnadel-Ventilfedern operierte. Vorgestellt im Juni 1960 anläßlich des 24-Stunden-Rennens von Le Maos, löste dieser erste Viersitzer-Ferrari das bisherige 250 GT Coupé ab.

Der 365 GT 2+2 mit der gewaltigen 4,4-Liter-Maschine war schon im
Stand verboten schnell.

Bis die Serienfertigung in Gang kam, vergingen allerdings einige Monate. Und so erlebte der neue Zwölfzylinder anläßlich des Pariser Salons im Oktober 1960 sein eigentliches Debüt in der Öffentlichkeit — nun gegenüber den Prototypen in einigen Punkten modifiziert. Schon bald zeigte sich, daß Ferrari mit dem 2+2 genau richtig lag: Das Auto sollte zum meistgebauten Typ der gesamten 250-GT-Baureihe avancieren! Vielleicht lag dies daran, daß der GT/E im Gegensatz zu den meisten sogenannten 2+2-Sitzern (wie dem Maserati Sebring) tatsächlich eine brauchbare Rückbank offerierte: „Vier Erwachsene finden einwandfrei Platz“, schrieb Jesse Alexander im Oktober 1960 nach einer Probefahrt; nur für Personen über 1,80 Meter fehle es an Kopffreiheit. Auch sonst überzeugten Interieur und Ausstattung: Viel Leder, ein edles Holzlenkrad (natürlich von Nardi) und eine reichdotierte Instrumententafel vermittelten eine Atmosphäre luxuriöser Sportlichkeit. Zum serienmäßigen Lieferumfang zählten Speichenfelgen von Borrani, während eine Klimaanlage nur gegen Aufpreis erhältlich war. Dieses für einen Ferrari ungewöhnliche Zubehör (nichts ist unmöglich: später sollte sogar eine Getriebeautomatik erhältlich sein) machte deutlich, daß Ferrari verstärkt in den Vereinigten Staaten aktiv wurde. Dort fanden die Autos mit dem sich aufbäumenden Rappen im Firmenemblem meist enthusiastische Aufnahme, wie zahlreiche Testberichte in Road & Track oder Car & Driver belegen; gerade jenseits des großen Teichs war Ferrari der Sportwagen schlechthin. Aber es gab auch Gegenstimmen. So rechnete Motor Test (die einzige Autozeitschrift, die keine Industrieanzeigen akzeptierte) Anfang 1966 mit dem Italo-Kultauto gründlich ab.

Rundlicher Rücken, winzige Rückleuchten: Der 330 GT war ein Versuch,
einen Viersitzer ganz im Stil des 250 GT/E zu kreieren.
Auch Anklänge an den 275 GTB waren auszumachen. Alles in allem hatte man dieses Auto „entamerikanisiert“

Das Cockpit des 330 war kaum von dem seiner
Markengefährten zu unter-
scheiden, auch wenn es etwas luxuriöser ausfiel als bisher.
Kraft im Überfluß: Unter der langen Haube des 330
verrichtete ein auf 300 PS
erstarkter 4-Liter-Motor seinen Dienst.

Maßlos überschätzt seien die sündhaft teuren Zwölfzylinder, schlampig verarbeitet und von fragwürdigen Fahreigenschaften, hieß es. Außerdem würden sie sich im tagtäglichen Verkehr absolut abscheulich benehmen — was vor allem auf die geringe Durchzugskraft hei niedrigen Drehzahlen in Verbindung mit der direkt greifenden Kupplung zurückzuführen sei.

Starker Tobak. Dem Mythos Ferrari schadete es nicht, ebensowenig dem Verkaufserfolg des 250 GT/E: In drei Serien bis Ende 1963 gebaut, entstanden knapp 1000 Exemplare. Alle Achtung! Erfolg ermutigt. Also machte Ferrari mit dem 2+2-Konzept weiter. In welcher Richtung, konnten sich Kenner der Marke schon seit Anfang 1961 denken, als ein sehr spezielles Auto entstanden war: Für den Commendatore selbst hatten die Techniker den Motor eines 400 Superamerica (Typ 163) in einen 250 GT/E 2+2 transplantiert, ein ganz offensichtlich gelungenes Experiment.

Jedenfalls führte es Ende 1963 zu einem guten Dutzend Autos, die als 330 GT America in die Ferrari-Geschichte eingingen. Als reines Zwischenmodell konzipiert, stellte dieser America das Bindeglied zwischen dem alten und dem neuen Entwurf her, kombinierte also das Vierlitertriebwerk mit der Karosserie des 250 GT/E. Mehr Interesse erregte der neue Viersitzer, der Anfang Januar 1964 im Werk vorgestellt wurde. Er hörte auf die Bezeichnung 330 GT 2+2, war wieder ein Ferrari für Familienväter und trug wieder ein Pininfarina-Kleid. Obwohl erlesen zugeschnitten und von ruhiger Eleganz, erhitzte es insofern die Gemüter, als es mit Doppelscheinwerfern daherkam.

Am Innenraum, der gegenüber dem Vorgänger an Größe zugelegt hatte, gab es freilich nichts auszusetzen. Das gewachsene Passagierabteil war natürlich auch ein Ergebnis des nun auf 2650 Millimeter verlängerten Radstands, der zusammen mit der neuen, sehr aufwendigen Zweikreis-Bremsanlage (es gab sogar zwei Bendix-Bremskraftverstärker!) die wichtigsten technischen Änderungen benennt.

Neben dem neuen Triebwerk natürlich, das damals wie heute besondere Beachtung verdiente und verdient. Man hatte es diesmal mit einem Vierliteraggregat zu tun, bei dem (ganz nach klassischer Ferrari-Nomenklatur) das Volumen eines einzelnen Zylinders als Typenbezeichnung diente. Dabei stammte das Triebwerk eigentlich aus dem 400 Superamerica, wo bekanntlich die Typenbezeichnung direkt auf den Gesamthubraum hinwies. Aber dieses intern Typ 163 genannte 400-SA-Triebwerk, das nicht auf den „langen“ Lampredi-, sondern auf den „kurzen“ Colombo-Zwölfzylinder zurückging, hatte sich eine gründliche Kur gefallen lassen müssen. Praktisch war ein neuer Motor entstanden, der nun als Typ 209 lief und als wichtigste Modifikation mit weiter auseinanderliegenden Zylinderwandungen — der Abstand zwischen den Zylinderachsen betrug nun 94 statt 90 Millimeter — aufwartete. Die logische Folge daraus: Das Triebwerk baute zwar ein Stück länger, bot dafür aber die Möglichkeit, seinen Kühlwasserumlauf zu verbessern. Und das thermische Verhalten mußte bei einem Zwölfzylindermotor, der aus 3967 ccm Hubraum satte 300 PS mobilisierte, einfach stimmen.

Auch dieser hochkarätige Viersitzer verkaufte sich prächtig und bereitete Besitzern wie professionellen Autotestern viel Freude. Auch und gerade in den USA, wo er sich freilich recht diskriminierende Vergleiche gefallen lassen mußte. Etwa mit einem Pontiac, der statt 14.000 nur 4000 Dollar kostete. Walt Hansgen, amerikanischer Renn-Haudegen, jagte im Auftrag von Car & Driver beide Autos um den Rennkurs von Bridgehampton — und resümierte, daß der Ferrari sein Geld wert sei. Aber nicht für das, was er leistet, sondern wie er es leistet. Ganz machomäßig konnten sich die Car & Driver- Kollegen einen weiteren Vergleich nicht verkneifen: „Wäre der Ferrari eine Frau, würde sie ungefähr 35 mit einer athletischen Figur und traurigen Augen sein, eine miserable Köchin, sensationell im Bett und völlig treulos.“ Na denn.

Keine zwei Jahre nach seiner Vorstellung erschien auf dem Pariser Salon im Oktober 1965 ein verfeinerter 330 GT 2+2, der schon äußerlich sofort auf sich aufmerksam machte: Die Kritiker der Doppellampen harten sich durchgesetzt, denn jetzt zierten nur noch Einfachscheinwerfer die Ferrari-Front. Was der Optik des Autos — das nun ernsthafter, sportwagenmäßiger wirkte — gut bekam. Außerdem brach nun auch bei den Ferrari-Viersitzem die Ära der Fünfganggetriebe an, während die Zeit der Speichenräder (die ausschließlich auf Sonderwunsch geliefert wurden) zu Ende ging.

Gab es den 330 GT 2+2 nur gegen Aufpreis mit Servolenkung, so war sein Nachfolger serienmäßig damit ausgerüstet (und er hatte sie bitter nötig). Dieser 365 GT 2+2 durfte (Sie ahnen es!) auf dem Pariser Salon vom Oktober 1967 debütieren, wo er (auch das ahnen Sie) mit seinem Pininfarina-Kleid für Begeisterung sorgte. Dabei hatten die rund 500 Ferrari-Bediensteten ein halbes Schlachtschiff von 1,5 Tonnen Lebendgewicht (leer) auf die Räder gestellt, dessen Länge von 5 Metern fast genau mit einem Mercedes 300 SEL übereinstimmte! Es war also dem Können und der Raffinesse des italienischen Karosserieschneiders zu verdanken, daß dieser jüngste Ferrari delikat, harmonisch und gar nicht mal so furchtbar groß wirkte. Allenfalls die beträchtlichen Karosserieüberhänge störten, denn man hatte den Radstand von 2650 Millimetern beibehalten.

Allerdings war der 365 GT 2+2 nun endgültig zum Luxuscoup mit sportlichem Einschlag mutiert, das man mit allem erdenklichen Schnickschnack vollgestopft hatte: Neben Lederpolstern und Holzarmaturenbrett gab es elektrische Fensterheber (sogar die vorderen Ausstellfenster reagierten auf elektrische Impulse!) sowie ein Stereoradio mit Cassettenrecorder und vier Lautsprechern, dazu (gegen Aufpreis) eine Klimaanlage.

Ob solcher Opulenz verblaßten fast die technischen Errungenschaften des Neulings, der mit dem schon vom 365 California her bekannten 4,4-Liter-Aggregat aufwartete: Dank Erweiterung der Bohrung von 77 auf 81 Millimeter gab das neue Triebwerk vom Typ 245 nun 320 PS ab, verbunden mit einem ebenfalls gestiegenem Drehmoment. Gleichzeitig präsentierte sich der neue Viersitzer endlich mit einzeln aufgehängten Hinterrädern — und bot als zusätzliches Schmankerl eine von Koni entwickelte hydropneumatische Niveauregulierung der Hinterachse Das perfekt ausbalancierte Auto überzeugte durch sein herausragendes Fahr- und Bremsverhalten — und natürlich durch sein Leistungsvermögen: Es war nach rund 7,5 Sekunden 100 km/h schnell und stürmte von da weiter bis auf seine Höchstgeschwindigkeit von gut 240 km/h! Daß bei solchen Kraftakten fast 30 Liter Superbenzin durch die drei Weber-Doppelvergaser gurgelten, erschütterte vielleicht uns gewöhnliche Sterbliche. Aber mit Sicherheit keinen, der rund 60.000 Mark für sein Auto lockergemacht hatte.

Ferrari blieb der Tradition aufregender 2+2-Sitzer bis auf den heutigen Tag verpflichtet. Fehlt also eigentlich nur noch ein Schlußwort. Vielleicht dieses von Manfred Jantke: „Mit dem GT 2+2 baut Ferrari einen Gran Turismo in des Wortes ursprünglicher Bedeutung: Einen extrem leistungsfähigen Reisewagen der allerersten Garnitur.“ Wie wahr!
 

OLDTIMER-MARKT Sonderheft 14