330 GT Registry |
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Der Ferrari Spider Fantuzzi Vermittelt ein besonders intensives Fahrerlebnis
Dieser Ferrari ist eine Katastrophe - zumindest für solche Menschen, die in einem Auto in erster Linie ein Transportmittel sehen. Denn der italienische Sportwagen entpuppt sieh als pure Fahrmaschine, gebaut für die letzten Helden des Autofahreralltags, die auf Luxusattribute wie etwa Scheibenwischer oder gar ein Dach zugunsten unverblümter Fahreindrücke verzichten.
Schon auf den ersten Blick erweckt die spektakuläre Karosserie Assoziationen an einen Rennsportwagen. Der lange Vorderbau mit der mittig aufgenieteten Hutze, die strömungsgünstig mit Plexiglas ab- gedeckten Scheinwerfer und das Fehlen von Stoßstangen setzen eindeutig das Signal auf schnelle Fahrt.
Sogar auf den Türgriff wurde verzichtet. Wer einsteigen will, muss sieh über die angenietete und daher nicht versenkbare Plexiglasscheibe beugen, um die Tür von innen zu entriegeln - eine Übung, die dank der Gesamthöhe des Fahrzeugs von nur 1,09 Metern auch von klein gewachsenen Fahrern ohne Leiter erledigt werden kann.
Der Innenraum wirkt schockierend nüchtern. In diesem Cockpit riecht es nicht nach feinem Leder, sondern nach verbranntem Öl und Benzin. Lediglich die Sitzschalen sind mit edler Haut bezogen, ansonsten bestimmt geschwärztes Alublech das triste Bild. Den einzigen Lichtblick vermitteln das hölzerne Nardi-Lenkrad und die unter einer kleinen Blende versammelten fünf Rundinstrumente.
Aus dem zur rechten Seite hin sehr kahl wirkenden Armaturenbrett wachsen drei einsame Zugschalter heraus, und vor den Knien des Beifahrers bietet sich in Form einer Relaissammlung ein ungefilterter Einblick in die Elektrik.
Weniger offenkundig stellt sieh übrigens die Historie dieses Autos dar. Der jetzige Besitzer entdeckte es zufällig in Tschechien in der Obhut einer Bank. Der Vorbesitzer war offensichtlich in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aber die exakte Entstehungsgeschichte dieses einzigartigen Ferrari mit der Fahrgestellnummer 8733 fand sieh erst im Archiv des Schweizer Ferrari-Spezialisten Marcel Massini.
Daten & Fakten Motor: V-Zwölfzylindermotor (60 Grad), zwei obenliegende Nockenwellen, durch Kette angetrieben, siebenfach gelagerte Kurbelwelle, Bohrung x Hub 77 x 71 mm, Hubraum 3967 cm3, Verdichtung 8,8 :1, Leistung 262 DIN-PS bei 6000/min (Angabe laut Fahrzeugschein), maximales Drehmoment 33,2 mkg bei 5000/min. drei Doppel-Fallstromvergaser Weber 40 DFI |
Laut seinen Unterlagen basiert der aufregende Zweisitzer genau genommen auf zwei Fahrzeugen. Das Chassis, das auch die oben genannte Nummer trägt, gehörte zu einem Ferrari 330 GT 2+2 aus dem Jahre 1966, der damals nach Genua verkauft wurde. Nach diversen Besitzerwechseln beendete in den 70er Jahren ein Unfall das Leben dieses Autos.
Aber es sollte zu einer Wie derauferstehung kommen, und Zwar mit der Spider-Karosserie eines ehemaligen 330 LMB 4381 SA. Diese Skulptur aus Aluminium mit Stilelementen anderer Ferrari-Modelle wie 275 GTB, 250 LM oder 250 GTO war bei Medardo Fantuzzi in Modena entstanden, einem geschickten Karossier mit auffällig raumgreifender Figur, dem aber nie ein so hoher Bekanntheitsgrad zuteil wurde wie etwa Scaglietti.
Die Verschmelzung der beiden Fahrzeugfragmente zu dem hier präsentierten 330 GT Spieler Fantuzzi geschah dann vor etwa 20 Jahren in der Restaurierungswerkstatt von Fiorenzo Fantuzzi, dem Sohn Medardos. Die Kenntnis, dass sich unter der rassigen Karosse nur ein, Verzeihung, biederer 330 GT versteckt, beeinträchtigt aber keineswegs die Faszination, die von diesem Spider ausgeht. Denn der Eindruck, in einem heißblütigen Rennwagen zu sitzen, bleibt auch bei näherer Bekanntschaft mit dem Auto erhalten.
Wenn der Fahrer hinter dem Nardi-Lenkrad Platz genommen hat, spürt er zunächst einmal den vertrauenerweckenden Seitenhalt des Sitzes. Es besteht also keine Gefahr, dass in schnellen Kurven kräftige Querbeschleunigungen zu ungewolltem Verlassen des Arbeitsplatzes führen.
Die Höhe des dabei angeschlagenen Tempos konnte früher nur geraten werden, denn ein Geschwindigkeitsmesser fehlte in der Erstausstattung.
Den besten Platz im Blickfeld des Fahrers nimmt nämlich ein großer Drehzahlmesser ein, aber für Rennfahrten im Alltagsverkehr musste mittlerweile ein Tacho nachgerüstet werden.
Die markante Hutze auf der Motorhaube ist ebenso wie die aus Plexiglas bestehenden Front- und Seitenscheiben mit nieten befestigt |
Die Vorbereitungen vor dem Senken der Startflagge fallen erstaunlich undramatisch aus. Es genügt eine Drehung des Zündschlüssels. Ein kräftigerTon aus den vier Endrohren der Auspuffanlage signalisiert die spontane Bereitschaft des Zwölfzylindermotors und erinnert an vergangene Zeiten, als die Klänge hochkarätiger Triebwerke noch nicht in einer Reihe von Schalldämpfern erstickt wurden.
Der Motor mit den beiden obenliegenden Nockenwellen und einer Gemischfabrik aus drei Doppel-Fallstromvergasern mit offenen Ansaugtrichtern kann genauso frei ein- und ausatmen wie die Insassen.
Denn sobald der Fantuzzi-Spider an Fahrt gewinnt, pfeift der Wind über die niedrige rahmenlose Plexifrontscheibe ins Cockpit und unter dem Überrollbügel hinter dem Passagierabteil wieder hinaus. Diese übermäßige Frischluftzufuhr muss bei jeder Wetterlage hingenommen werden, weil nicht nur das bereits erwähnte Dach eingespart wurde, sondern auch die Heckscheibe.
Von dieser kargen Ausrüstung und dem leichten Alukleid profitiert natürlich in erster Linie das Leistungsgewicht. Während der serienmäßige 330 GT in der Klasse der 1,5-Tonner rangiert, bringt der Fantuzzi-Spider nur 1150 Kilogramm auf die Waage.
Zentralverschlusse der schmucken Chromfelgen |
Tankschnellverschluss für möglichst kurze Boxenstopps |
Die Leistung des Vierlitermotors beträgt laut Werksangabe 300 PS bei 6600/mm, aber selbst wenn die vom deutschen TÜV auf 262 PS bei 6000/min korrigierten Werte zugrunde gelegt werden, ergibt sich immerhin ein Leistungsgewicht von 4,4 kg/PS.
Das klingt vielversprechend, zumal der Journalist und Rennfahrer Paul Frère bei einem Test eines 330 GT für die Motor Revue im Jahre 1965 bereits eine Zeit von nur 6,9 Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h gemessen liegen leider keine Messwerte vor, aber es ist kalkulier- und heim Gasgeben spürbar, dass dieses Auto außerordentlich temperamentvoll beschleunigt und noch heute die meisten Ampelduelle gewinnt.
Das enorme Durchzugsvermögen des Motors in allen Geschwindigkeitsbereichen und die niedrigen Bedienungskräfte lassen den Sportwagen sehr leichtfüßig wirken. Weder Lenkung noch Kupplung verlangen nach übermäßigem Krafteinsatz, und selbst der Griff zum Schalthebel, der aus einer schmucklosen Kardantunnelabdeckung ragt, trübt die Freude nicht.
Die Gänge des fünfstufigen Getriebes, das im 330 GT der zweiten Serie das Vierganggetriebe mit Overdrive abgelöst hatte, lassen sich exakt und mit leichtem Druck einlegen.
Aber dennoch verlangt das Fahren mit diesem Auto Nehmerqualitäten. Das Klangspektrum des Motors beim Vollgasgehen aus niedriger Drehzahl reicht vom sonoren Brummen über furchterregendes Brüllen bis hin zu einem fast schrillen Kreischen. Die Geschwindigkeit wächst rasend schnell, und das zunächst laue Lüftchen im Cockpit wird zum Orkan. Zum Ausloten der Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h empfehlen sich ein Helm und windundurchlässige Kleidung.
Ein leichtes Gefühl von Schutzlosigkeit beschleicht einen auch bei einem Seitenblick zur Tür, wo mangels Dichtungen der vorbeiwischende Straßenrand durch die Türspalte zu erkennen ist.
Besonders wenn die Straße nicht ganz glatt gebügelt ist, erhöht sich der Erlebniswert noch einmal beträchtlich. Die Federung spricht mangels Karosseriemasse wesentlich schlechter an als im 330 GT, und so werden die Passagiere ordentlich durchgerüttelt. lind wegen des fehlenden Dämmmaterials klappert und scheppert es in allen Ecken, und das Armaturenbrett ächzt.
Es ist wahrlich eine Katastrophe, dass es nur noch so wenige Autos gibt, die das Fahrerlebnis so pur und filterlos vermitteln.
Fantuzzi-Historie Die Carrozzeria Fantuzzi gehörte zu den vielen kleinen Karosseriewerkstätten in und um Modena. Firmengründer war der 1909 geborene Medardo Fantuzzi, der zwischen 1929 und 1958 nahezu alle Maserati-Monopostos einkleidete, einschließlich des legendären 250 F. Als Ende der 50er Jahre die Maserati-Aufträge stagnierten, übernahm Fantuzzi den Bau der Ferrari-Rennwagen, da die Firma Scaglietti mit den Aufträgen für die Straßenautos überlastet war. Fantuzzis Erstwerk war der 250 TR Spider. Sohn Fiorenzo gründete Ende der Siebziger eine eigene Werkstatt.
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Motor Klassik 11/2000
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