330 GT Registry |
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VIER GEWINNT
Enzo Ferraris zweite Leidenschaft neben dem Rennsport galt den Viersitzern. Unterwegs mit dem Ferrari 330 America von 1963 und dem aktuellen Ferrari für den Alltag, dem Allrad FF
Ferrari 330 America
Anfang der Sechziger kamen 2+2-Sitzer in Mode. Auch Enzo Ferrari mochte diese Spielart, dir auch ökonomisch äußerst interessant war
Ferrari FF
Seit dieser Zeit fuhrt Ferrari immer ein 2+2-Modell im Programm: 365 2+2, Mondial 8, 308 GT4, 456 GT, Scaglietti und FF
In den Sechzigern muss die Welt für Sportwagenfans offenbar noch in Ordnung gewesen sein. Schaut man sich die in dieser Zeit entstandenen automobilen Formen an, egal ob italienischer oder britischer, deutscher oder franzosischer Herkunft, gerät man heute noch in Verzückung ob der damals gezeichneten Karosserielinien. Das gilt natürlich auch für Ferrari. Die Italiener haften mit dem 250er, dessen Höhepunkt 1962 der GTO bildete, große Aufmerksamkeit errungen, mischten im Motorsport vorn mit.
Ferrari war glamourös, in Rennen erfolgreich, verkaufte sportliche Autos in erklecklicher Stückzahl vor allem in Amerika, doch finanziell sah es nicht so rosig aus. Dazu zogen dunkle Wolken in der Ferne auf: Verschärfte Sicherheits- und Umweltbestimmungen in den USA trübten nicht nur dir Ferrari-Zukunft. Trotz des internationalen Hypes um die Marke mit dem springenden Pferd wurde Anfang der Sechziger darüber nachgedacht, Ferrari an Ford zu Verkaufen. Die Amis wollten sich damit den Wiedereinstieg in den Motorsport erleichtern, was aber daran scheiterte, dass Enzo Ferrari die Leitung des neu zu gründenden Rennstalls verwert wurde. Nebenbei führte dieses Intermezzo zur Geburt des Ford GT, mit dem Ford den Italienern vor allem beim prestigeträchtigen Rennen von Le Mans das Leben schwer Machen wollte.
Zwar erwies sich der 250 GT, der als erster echter Serien-Ferrari gilt, als äußerst erfolgreich. Dennoch kam man nicht umhin, sich intensiv Gedanken über dir Zukunft zu machen. Neben seinen Rennautos galt Enzo Ferraris Leidenschaft - oder sein Alltagssinn - vor allem weniger puristischen GT-Modellen. In den 50ern waren einige wenige 2+2-Einzelstücke entstanden, etwa auf Basis des 166, 195 oder 212, dir mehr Luxus, mehr Komfort und mehr Ausstattung boten.
Das erste Serienfahrzeug dieser Art bildete der 250 GT 2+2, der 1960 vorgestellt und wegen seiner Motorenbezeichnung 128E auch als GTE bekannt wurde. Mit rund 950 Exemplaren avancierte er zum meistverkauften Ferrari-Modell bis dahin - und er war der erste Ferrari - Viersitzer, Begründer einer erfolgreichen Reihe, die sich bis zum aktuellen FF fortsetzt.
Abgelöst wurde der GTE von jener blauen Schönheit (Farbe: Azzuro acrillico), deren 300-PS-V12 sich auf dem Hof des Kasseler Ferrari-Spezialisten Eberlein gerade den Schlaf aus den Eingeweiden hustet und sprotzt, um gleich darauf in einen wohlklingenden Leerlauf überzugehen. Der 330 America trug bereits den Motor des Nachfolgers 330 GT 2+2 unter dem Blech, wurde nur 50-mal gebaut und von manchen regelrecht geliebt - auch über den Tod hinaus. Etwa von Sandra West, einer Jetset-Witwe, die 1977 mit 37 an einer Überdosis Drogen starb und sich, aufrecht sitzend und nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, in ihrem graublauen 330 America beerdigen - oder besser: einbetonieren - Ließ.
Die ganz große Liebe muss es ja nicht gleich sein, aber völlig unberührt durfte diese Mischung aus Luxus, Kraft und Ästhetik niemanden lassen. Die von Pininfarina gezeichnete 330er-Karosserie besticht durch ihre schlichte Schönheit; der grandiose V12-Sound singt mit viel Charakter und leicht verruchtem Timbre Enzos Lieblings - „Lied der zwölf“, und der Innenraum verstromt den typischen Autoduft der Vor-Kunststoff-Zeit.
Vier Liter Hubraum und eine dreifache Weber-Vergaserbatterie kreieren 300 PS und zusammen mit der Abarth-Antage einen wunderbaren Sound | |||
Der Ferrari 330 America entstand nur 50-mal. Er basierte auf dem 250 GT 2+2, verfügte aber bereits über den neuen 300-PS-Motor des 330 GT 2+2 | Luxus in still der 60er bedeutete; feines Leder, dezent blitzender Chrom, ein wunderbares Holzlenkrad und ein lackierte Armaturentafel, Radio mit Drehknöpfen aus dem letzten Jahrtausend |
Gurtlos sitzt man auf weichem Gestühl, das, wie der Rest des Innenraums, in Blau gehalten ist. Statt mit Holz veredelt oder Leder bezogen ist das Armaturenbrett in lackiertem Blech ausgeführt, die chromumrahmte Uhrensammlung mit Großem Drehzahlmesser und Tacho blitzt verheißungsvoll. Das zeittypisch dürre Lenkrad musste in der Vor-Servo-Ära so riesig sein, damit das Rangieren mit dem Colombo-V12 auf der Vorderachse überhaupt möglich war.
Fast ein halbes Jahrhundert später nimmt Ferrari auf dem eingeschlagenen Weg eine neue Abzweigung: Der FF, direkter Nachfolger des 612 Scaglietti, bietet nicht nur einen für Ferrari-Verhältnisse ungewöhnlich großen Kofferraum von 450 Litern. Er ist auch der erste Ferrari mit vier angetriebenen Rädern. Die Finesse dabei: Vorder- und Hinterachse sind mechanisch nicht miteinander verbunden, wodurch der FF die meiste Zeit als reiner Hecktriebler unterwegs ist. Als Hauptgrund für diese Konstruktion nennt Ferrari einen Gewichtsvorteil von rund 50 Prozent im Vergleich zu konventionellen Allradsystemen, was zudem der Gewichtsverteilung und einem niedrigen Schwerpunkt zugutekommt.
Trotz vier vollwertiger Sitze wirkt das Außere des Ferrari FF hinreißend, elegant und schlank
Dass 50 Jahre im Automobilbau gleich mehrere Epochen umspannen, spurt man beim Wechsel vom 330 America in den FF überdeutlich. Ergonomie bedeutete damals; Wenn du nicht reinpasst oder nicht zurechtkommst, passt dieser Ferrari nicht zu dir. Heute wäre so etwas natürlich inakzeptabel, und so empfängt einen der FF sofort mit sportlich abgeschmecktem Rundum-Wohlfühl-Aroma. Statt lackierten Blechs gibt es hier - in zahlreichen Optionen - Kohlefaser und feines Leder, die Sitze spannen einen weiten Bogen zwischen Langstreckenkomfort und sportlichem Seitenhalt. Gab es früher für Beifahrer allenfalls einen „Angstgriff”, schlagt der FF die Gegenrichtung ein und informiert den Sozius auf einem Extradisplay oberhalb des Handschuhfachs über Drehzahl oder gerade anliegende Geschwindigkeit.
Gestartet wird der FF auf Knopfdruck am Multifunktionslenkrad, während das 330er-Volant auf die Funktion des Lenkens reduziert ist; der V12 erwacht über einen Druck auf den steckenden Schlüssel zum Leben. Gemein ist beiden, dass sie den Startvorgang regelrecht zelebrieren, alle in der näheren Umgebung Anwesenden einbeziehen. Denn merke: Einen Ferrari startest du niemals still und heimlich.
660 PS bei 8000 Touren schüttelt der feine V12 recht mühelos aus dem Ärmel. Der seidige Schmelz der Zwölftonmusik kriecht unter die Haut | Luxus heute heißt zwar auch Leder, doch statt Chrom glänzt vereinzelt Carbon, Das Radio heißt heute Multimedia-Center, und für Anpassung an die Außenwelt sorgen Fahrerfuß und Manettino (r. u.) | |
Hat man sich erst einmal an das Lkw-artige Lenkrad des 330 America gewöhnt und gibt dem Motor etwas höhere Drehzahlen, lässt such das Grinsen im Gesicht nicht lange auf sich warten. Und das Beste: Es ist nicht abhängig on hohem Tempo, denn das Fahrzeug zu spüren ist allein schon ein Hochgenuss, den man von heutigen Autos so nicht kennt. Frei von elektronischen Regelsystemen, mit einer schönen Viergangschaltung versehen und von einer spannenden Sitzposition gekrönt, ist ein bei mittleren Drehzahlen geschmeidig laufender 330 ein Fest für die Sinne. Wie damals häufig eingesetzt, verfugt der 330 über einen elektrischen Overdrive, der im vierten Gang durch Kuppeln und Betätigung eines Hebels am Lenkrad aktiviert wird und die Drehzahl absenkt.
Auch der FF lässt sich extrem kommod, schaltfaul und entspannt bewegen, doch hier ist die Gier ungleich größer, immer wieder mal über das schnelle, siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe zurückzuschalten und dem V12 die Sporen zu geben. Obwohl er ein bequemer und luxuriöser Viersitzer ist, fühlt sich der FF kleiner und wendiger an, absolviert schnelle Autobahnpassagen mit stoischer Ruhe, lässt aber sein sportliches Talent bei entsprechender Vorwahl am Manettino bevorzugt auf engerem und kurvenreicherem Geläuf erkennen. Dieser Ferrari ist wohl der alltagstauglichste aller Zeiten, der seine Rasse und Motorsportwurzeln aber in jeder Kurve und bei jeder Drehzahländerung sourverän behauptet.
Zwei automobile Leckerbissen, die 50 Jahre Geschichte umspannen und in den Nimbus der Marke mit dem springenden Pferd einzahlen. Heut wie damals.
FAZIT
Im Viersitzern von Ferrari lebt sie bis heute weiter, die alte Gran-Turismo-Schule, Sportlichkeit, Luxus, Reisetauglichkeit und Komfort, verpackt in hinreißend gezeichneten Karosserien, dazu alltagstauglich und bestens geeignet für den Weg zwischen Privatjet und Jacht.
Ralf Fund
Von hinten ist der 1963er-America nur für Kenner als Ferrari auszumachen,
der FF zeigt mit runden Ruckleuchten ein heute typisches Ferrari-Merkmal
TECHNISCHE DATEN* | 330 AMERICA | FF |
Motor | V12 | V12 |
Einbaulage | vorn längs | vorn längs |
Ventile/Nockenwellen | 2 pro Zylinder/2 | 4 pro Zylinder/4 |
Hubraum | 3967 cm³ | 6262 cm³ |
kW (PS) bei u/min | 221 (300)/6600 | 485 (660)/8000 |
Literleistung | 76 PS/L | 105 PS/L |
Nm bei u/min | 325/5000 | 683/6000 |
Antriebsart | Hinterrad | Allrad |
Getriebe | 4-Gang manuell + Overdrive | 7-gang-Doppelkupplung |
Bremsen vorn | 310 mm | 398 mm/innenbel./gelocht |
Bremsen hinten | 298 mm | 360 mm/innenbel./gelocht |
Radgröße vorn - hinten | 7x15 | 8.5x20-10.5x20 |
Reifengröße vorn - hinten | 185 R 15 | 235/35 R 20-285/35 R 20 |
Reifentyp | Michelin X | Pirelli Sottozero |
Läng/Breite/Höhe | 4695/1710/1341 mm | 4907/1953/1379 mm |
Radstand | 2600 mm | 2990 mm |
Leegewicht | 1460 kg | 1880 kg |
Leistungsgewicht | 4.9 kg/PS | 2.8 kg/PS |
Tankvolumen | 100 L | 91 L |
Normverbrauch 0 auf 100 km | k. A. | 15,4 L Super Plus |
Beschleunigung von 0-100 km/h | 6,3 s | 3.7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 245 km/h | 335 kn/h |
Serienfahrzeug ohne Extras | ca. 400 000 Euro¹ | 258 100 Euro |
*Herstellangaben ; 1) Händlerangabe
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