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Ferrari 330 GT
PRÜFUNG von PAUL FRÈRE
Wenn der Dreiliter-Ferrari 250 GT auch einer der schnellsten in Europa gebauten Wagen ist, so darf man doch die amerikanische Konkurrenz nicht aus den Augen verlieren, denn der Commendatore aus Maranello exportiert ungefähr die Hälfte seiner Produktion in die Vereinigten Staaten. Dort aber gibt es schon eine ganze Menge von preiswerten Sechssitzern, die dem 250 GT auf der Geraden davonfuhren, nicht zuletzt auf Grund einer besseren Beschleunigung.
Das Prestige des Namens Ferrari, das bei zahlreichen Kaufern ein entscheidendes Moment darstellt, drohte darunter zu leiden. Dem zu begegnen war zweifellos der Hauptgrund, als vor zwei Jahren Enzo Ferrari sein Dreiliter-Modell durch eine Vierliter-Version ersetzte.
Dies war gar kein schwieriges Projekt, weil ja bereits ein geeigneter Vierliter-Motor, vom dem in kleiner Serie hergestellten Super Amerika, als Grundstock vorhanden war. Der darin verwendete Motor war ein Zwölf-Zylinder mit 340 PS und stellte eine Weiterentwicklung des Dreiliter-Motors dar, im Ganzen gesehen ist der Motor des 330 GT aber eine neue Einheit. Die Grundabmessungen des Zylinderblocks des Dreiliter und des alten Vierliter aus dem Super Amerika waren dieselben, wahrend der Blick des neuen Vierliter um einige Zentimeter verlängert ist und daher die einzelnen Zylinder etwas auseinandergerückt wurden.
Da bereits Motoren mit dem alten Block auf 300 PS Leistung gebracht worden waren, durfte der neue, Größere Block zwar selbstverständlich der Standfestigkeit des Motors dienen, aber vor allem im Hinblick auf die Zukunftsplane des Werks entwickelt worden sein.
In den hauptsachlichen Konstruktionsmerkmalen gleicht das Fahrgestell des 330 GT dem des alten 250 GT, jedoch hat das neuere Modell einen um 5 cm längeren Radstand. Dadurch wurden die hinteren Sitze der von Pininfarina entworfenen Karosserie wirklich brauchbar und verloren den Charakter von Notsitzen, wie sie ihn beim vorigen Modell noch eindeutig besaßen.
Leistungsfähiger und dennoch sehr elastische, Motor
Mit seinen 12 Zylindern, 24 Kipphebeln und 3 Doppelvergasern war Lautlosigkeit noch nie für Stärke eines Ferrari-Motors. Das gilt auch für den Vierliter, obwohl dessen Elastizität und Laufkultur so beachtlich sind, daß der Fahrer die enorme Kraft und Leistung eher unterschatzt. Erst die Stoppuhr bringt es an den Tag. daß der 330 GT, welcher ja beinahe ein vollwertiger Viersitzer ist, ebenso rasant beschleunigt wie die schnellsten am Markt befindlichen Zweisitzer und diese in der Höchstgeschwindigkeit meist sogar übertrefft.
Das ist umso bemerkenswerter, als der von uns getestete Wagen kaum mehr als 500 km gelaufen war und des Werk uns geboten hatte, dem Ferrari eine sanfte Behandlung angedeihen zu lassen, und so betätigten wir auch die Kupplung mit einer Umsicht, wie sie bei derartigen Messungen eigentlich nicht üblich ist.
Der kritisch Schwingungsbereich bei ungefähr 5000 U/min. gekennzeichnet durch Zunahme an Lärm, konnte beim alten Dreiliter nicht verleugnet werden, existiert aber beim Vierliter nicht mehr. Er dreht perfekt weich bis 6600 U/min hoch, wo das rote Feld des Tourenzählers beginnt, und sogar darüber hinaus. Im unteren Drehzahlbereich ist er außerdem derartig elastisch, daß man bei entsprechender Behandlung des Gaspedals im 5, Gang ab 30 km/h (was einer Motordrehdrehzahl von 700 U/min entspricht) noch eine ganz beachtliche Beschleunigung erzielen kann. Im 4 Gang ist die Beschleunigung ab 50 km/h äußerst brillant, so daß dieser Gang auf überfüllter Straße oder in der Stadt fast ausschließlich benutzt werden kann. In der Tat beschleunigt er in dieser Getriebeuntersetzung von 50 km/h auf 80 km/h schneller als ein Peugeot 404 Injektion im zweiten Gang. Auf Überlandstraßen ist es selten, daß einer der drei unteren übergänge benutz wird, sofern nicht die Maximalleistung erstrebt wird. Die Schaltung ist sehr präzise und angenehm und die Synchronisierung makellos, im Gegensatz zu den bisherigen Ferrari, die wir getestet hatten. Eine besondere Erwähnung muß auch der Kupplung gezollt werden. die nur wenig Pedaldruck erfordert. Trotz des hohen Drehmoments zeigte sie auch bei sehr rasanten Starts keine Neigung zum Schleifen, und ein Verlust an Beschleunigung konnte eher infolge der durchdrehenden Hinterräder bemerkt werden. In den meisten Fällen bleibt aber die Bodenhaftung der Reifen sehr gut, was nicht zuletzt auch der Verwendung von Längslenkern zu verdanken ist, die das Anfahrmoment aufnehmen.
Aus zahlreichen Messungen ging als Mittel eine Höchstgeschwindigkeit von 234 km/h hervor, die beste in einer Richtung ermittelte Geschwindigkeit war 236 km/h. Es steht außer Zweifel. daß nach Erreichen von ungefähr 1000 bis 10.000 km 240 km/h erreicht werden können. Da die Höchstgeschwindigkeit aber eine solche Hohe erreicht, haben derartige Differenzen praktisch keine Bedeutung Wichtiger ist die Geschwindigkeit die angenehm auf längere Distanzen gehalten werden kann. Ist die Autobahn frei, erreicht eine guter Fahrer mit dem 330 GT fast automatisch 200 km/h (entspricht 210 km/h laut Tachometer), wobei der Motor erst 5500 U/min im 5 Gang dreht.
Bei solchen Geschwindigkeiten scheint der Motor weit unter seinen Maximalleistungen zu arbeiten und besitzt noch eine gute Beschleunigungsreserve. Die Stabiltat ist makellos, salbst bei ziemlich starkem Seitenwind, der auch bei hohen Geschwindigkeiten kaum störenden Einfluß ausübt. Das Geräuschniveau ist bedeutend, wenngleich man auch die Ursache desselben nicht ganz genau erklären kann: der Motor, die Windgeräusche und der Auspuff haben daran einen schwer Bestimmbaren Anteil. Es handelt sich jedoch nicht um einen entnervenden Lärm, aber er veranlasst die Insassen. ihre Stimmen zu heben um sich verständlich zu machen.
Erstklassige Straßenlage
Die Straßenlage des Ferrari 330 GT ist bewundernswert, was teilweise auf die neuen superbreiten Reifen Pirelli Cinturato (Dimension 205 X 15) zurückzuführen ist. Eine gewisse Tendenz zum Untersteuern macht sich nur in Kurven kleinerer Radien spürbar, darüber hinaus legt der Wagen ein fast neutrales Kurvenverhalten an den Tag und Selbst bei Grenzwerten bleibt er unbeirrbar in seiner Bahn. Auch auf schlechteren Straßen bleibt der Radkontakt mit der Fahrbahn erhalten, und bei Nasse oder Glatteis ist der Ferrari unkomplizierter als so mancher andere gleich starke Wagen zu fahren. Die direkte Lenkung ist ausgesprochen präzise und trotz bescheidener Übersetzung äußerst leichtgängig, wenn man bedenkt, daß der Wagen 1500 kg wiegt.
Bei niederen Geschwindigkeiten ist es nötig, dem Nachlauf ein wenig nachzuhelfen, was aber bei Steigerung des Tempos verschwindet. Der Mechanismus übertragt keine Stöße, doch ist der Wendekreis für Anforderungen im Stadtverkehr etwas zu groß geraten.
Die Scheibenbremsen werden über eine Zweikreisanlage betätigt und haben im Laufe des Tests eine gute Hitzebeständigkeit bewiesen. Bei normalem Gebrauch ist der Pedaldruck Bescheiden, steigt aber bedeutend, will man die Räder zum Blockieren bringen. Das Fading halt sich in Grenzen, die vorderen Bremsscheiben sind vor Nasse geschützt.
Sehr gute Federung
Eine der überraschendsten Qualitäten des Ferrari ist seine Federung. Ihre Straffheit kommt nur bei niederen Geschwindigkeiten zum Vorschein und ist verschwunden, sobald man das Tempo steigert. Die Schaukelbewegungen werden durch eine sehr wirksame Stoßdampfung unterbunden und garantieren unter allen Umstanden einen sicheren Kontakt mit der Straße. In den Innenraum dringen kaum Stoße durch, und die Passagiere haben immer ein Gefühl der Sicherheit.
Eine wichtige Rolle im Allgemeinkomfort spielen die erstklassigen Vordersitze, deren Polsterung im Einklang mit der Federung steht und die eine sehr gute Seitenführung in schnell gefahrenen Kurven gewährleisten. Die Oberschenkel sind gut gestutzt, jedoch wurden sich Personen kleineren Wuchses die Polster etwas verkürzt wünschen. Für den Beifahrer wäre eine Fußstütze praktisch. Die Lenkrad- und Pedalerie Anordnung sind sportwagenmäßig und gestatten ein gleichzeitiges Bedienen von Bremse und Gaspedal.
Karosserie
Unter den herkömmlichen Instrumenten gibt es in dem sorgfaltig gepolsterten Armaturenbrett noch einen Tourenzahler, eine Uhr, ein Amperemeter, ein Ölmanometer und Thermometer für Öl und Kuhlwasser. Diese beiden letzten zeigen, daß das Kuhlwasser rasch eine Temperatur von zirka 90° erreicht, die dann unabhängig von der Geschwindigkeit konstant bleibt (der elektromagnetische Ventilator kuppelt meist nur in der Stadt ein). Die Öltemperatur hingegen variiert mit der Geschwindigkeit sehr stark und steigt bei hohem Tempo sehr beträchtlich. Trotz kühlen Wetters (Lufttemperatur 14°) betrug die Öltemperatur bei einer Dauergeschwindigkeit von 200 km/h über 30 km Distanz immerhin 110° und klettere bei den Höchstgeschwindigkeitsmessungen auf 135° hinauf.
Heizung und Ventilation sind sehr gut und erlauben es, von so mancher Stelle im Wagen warme oder kalte Lugt eintreten zulassen. Der Wagen wäre bedeutend leiser, wenn neben den beiden verstellbaren Lufteintrittsöffnungen auch noch Luftaustrittsöffnungen vorhanden waren, um das teilweise Offnen der Seitenscheiben zu Vermeiden.
Obwohl das Handschuhfach im Armaturenbrett ziemlich geräumig ist, fände man vorne gern mehr Ablagemöglichkeiten für verschiedene Kleinigkeiten, dagegen ist die fixe hintere Mittellehne zu tief, um wirklich nützlich zu sen. Wie bereits erwähnt, sind die beiden hinteren Platze relativ groß. Man gelangt zu ihnen durch Umklappen der Vorderlehnen, die in normaler Position verriegelt sind, und deren Neigung individuell verstellbar ist. Hinten ist der Fußraum nicht nur durch den Kardantunnel getrennt, sondern auch durch zwei Längslenker des Chassis, die in Längsrichtung die für die Füße vorgesehenen Raume durchqueren. der Tank faßt 90 l und ist hinter den Rucksitzen placiert. Er ermöglicht eine Reichweite von ungefähr 350 km, wenn der Lenker den Ferrari so fahrt, wie im allgemeinen ein Ferrari gefahren werden will. Man muß dabei mit einem für ein derartiges Auto relativ niedrigen Durchschnittsverbrauch von 24 l/100 km rechnen und ist kaum in der Lage, diesen bedeutend zu senken.
Der Kofferraum ist recht geräumig und beherbergt unter dem Boden das Reserverad. Da der Ferrari nicht dazu bestimmt ist, für längere Reisen mehr als zwei Personen aufzunehmen, ist der Gepäckraum ausreichend, zumal auch noch die hinteren Sitze als Ablageflache verwendet werden können.
Die Motorhaube befindet sich in jeder Lage im Gleichgewicht, der Motorraum selbst ist verschwenderisch mit einer schallisolierenden Schicht austapeziert. Er wird in der Nacht durch zwei kleine Lampen beleuchtet, die Zugänglichkeit zu den verschiedenen Aggregaten ist gut. Ins Auge springen die gehämmerten Zylinderkopfdeckel, die serienmäßige Wechselstromlichtmaschine, der elektromagnetische Ventilator und die beiden Ölfilter (ein Hauptstrom- und ein Neben-stromfilter).
Seinem prestigeträchtigen Namen wird der 330 GT voll und ganz gerecht, aus welchem Blickwindel ihn der Connaisseur auch immer beurteilen mag.
Oben: Am Kommandopult des Ferrari 330 GT ist man Herr über 300 PS und mehr als 230 km/h. Unten: Das V 12-Aggregat füllt den Motorraum bis aufs letzte aus Hungrig gähnen die Ansaugtrichter der drei Doppelvergaser unter dem Großen Luftfilter. (Photo H. P. Kumpa)
GEMESSENE LEISTUNGEN | |||
Beschleunigung | Zeit | Verw. Übergänge | Verzögerung |
0 bis 50 km/h 0 bis 80 km/h 0 bis 100 km/h 0 bis 120 km/h 0 bis 140 km/h 0 bis 160 km/h 0 bis 180 km/h 0 bis 200 km/h 1000 M mit stehendem Start | 3,6 sec 4,9 sec 6,9 sec 10,2 sec 12,9 sec 16,0 sec 22,3 sec 29.0 sec 27,0 sec | 1. 1. 1. und 2. 1. bis 3. 1. bis 3. 1. bis 3. alle alle alle | Nicht gemessen |
20 bis 50 km/h 50 bis 80 km/h 80 bis 110 km/h 110 bis 140 km/h 140 bis 170 km/h 170 bis 200 km/h | 5. Gang 9.5 sec 6.6 sec 8,0 sec 8,4 sec 11,3 sec 13,6 sec | 4. Gang 7,6 sec 4,8 sec 6,1 sec 5,3 sec 8,6 sec 9,6 sec | 3. Gang 5,8 sec 4,1 sec 4,4 sec 4,2 sec --- --- | 2. Gang 3,2 sec 3,0 sec 3,2 sec --- --- --- | 1. Gang 2,2 sec 2,0 sec --- --- --- --- |
Höchstgeschwindigkeit km/h Mindestgeschwindigkeit km/h | 234 28 | 200 20 | 160 15 | 115 12 | 80 6 |
Steigfähigkeit | Nicht Gemessen
|
Tachometervoreilung | Gewicht (mit 5 l Benzin) Verzögerung Benzinverbrauch Ölverbrauch Lenkradumdrehungen Wendekreis | Prüfungsbedingungen | |
angezeigte | tatsachliche | Messungen bei schönem, milden Wetter, schwacher Wind. Fahrer allein an Bord. Superbenzin. Kilometerstand zu Testbeginn 150 km. Testkilometer zirka 1000 km. | |
Geschwindigkeit | |||
60 100 140 180 220 246 | 60 100 136 170 210 236 * * Höchste, in einer Richtung | ||
100 km = 100 km |
TECHNISCHE DATEN
Motor
Zwölfzylinder V-Motor (60°), wassergekühlt, hängende Ventil (in V 54°), zwei obenliegende Nockenwellen (Kette), Leichmetallzylinderkopf und Block, Nasse Zylinderbüchsen, siebenfach gelagerte Kurbelwelle, Ölfilter im Hauptstrom und Nebenschluß, Bohrung X hub = 77 X 71 mm, 3967 ccm, Verdichtungsverhältnis 8,8 : 1, Höchstleistung 300 DIN PS bei 7000 U/min, maximales Drehmoment 33,2 kg DIN bei 5000 U/min.
Kraftübertragung
Trockenkupplung, Fünfgang-Vollsynchrongetriebe, Stockschaltung, Hypoid-Achsantrieb, Hinterachsuntersetzung 4,25 : 1, ZF-Differentialbremse, Untersetzungsverhältnisse im Fünfgang-Getriebe: I. 2,536 : 1 II. 1,7 : 1, III. 1,256 : 1, IV. 1 : 1, V. 0,797 : 1, R. 3,218 : 1.
Geschwindigkeit bei 1000 U/min im 5. Gang 36,8 km/h.
Karosserie und Fahrwerk
Rohrrahmenchassis, vorn Trapez-Dreieckquerlenker und Schraubenfedern, hinten Starrachse mit Halb-elliptische Federn und Schraubenfedern mit koaxialen Stoßdämpfern, vorn Kurvenstabilisator, Teleskopdämpfer. Zweikreis-Vierradscheibenbremse mit zwei Servoaggregaten, ZF-Lenkung mit Schneck und Rolle, Benzintankinhalt 90 l, Reifen 210 HR 15 F.
Abmessungen und Gewichte
Radstand 265 cm, Spurweite 140/139 cm, Bodenfreiheit 12 cm, Wendekreis 13 m, Lange 484 cm, Breite 171,5 cm, Hohe 136,5 cm, Leergesicht 1460 kg.
Höchstgeschwindigkeit 236 km/h
Verkaufspreis in Osterreich S 349,000.--