330 GT Registry |
Translate to English (Google)
Translate to English (Bing)
ITALIENS ALLER SCHNELLSTE
Jedermann kennt einen Fiat, einen Lancia, einen Alfa-Romeo und einen Ferrari. Aber es gibt in Italien viele Automobilfabriken, die im Ausland fast unbekannte Wagen herstellen. Die größte ist Innocenti, aber ihre Produktion ist zur Zeit auf den Lizenzbau von Wagen aus der BMC-Reihe — hauptsachlich den Austin A 40, den Morris 1100 (jedoch mit 2-Vergaser MG- Motor) und den MG Midget — unter Verwendung von englischen Teilen beschrankt. Dann gibt es den Iso-Rivolta, der seine beträchtlichen Fahrleistungen einem 5,4 Liter Chevrolet Corvette-Motor verdankt. Er ist einer der schnellsten viersitzigen Wagen unserer Zeit, und der neue zweisitzige ,,Grifo“ hat in Le Mans und auf dem Nürburgring gezeigt, daß er es mit den schnellsten Straßenfahrzeugen aufnehmen kann.
Wer einen fremden Motor einbaut, hat aber ein schwieriges Problem einfach gelöst. Südlich der Alpen hat man vor einem Luxuswagen mit Stoßstangenmotor nicht übermäßig viel Respekt, besonders wenn der Motor aus Amerika stammt. Im kleinen Umkreis von Ca. 25 Kilometern um Sant'-Agata Bolognese mit Bologna und Modena kennt man bei Ferrari, Lamborghini, Maserati, Osca, A.T.S., de Tomaso und Stanguellini nichts anderes als obenliegende Nockenwellen. Hier werden auch — bei Ferrari und Lamborghini — die einzigen 12 Zylinder-Motoren für straßengängige Wagen gebaut, die heute in der ganzen Welt zu finden sind.
Der 12 Zylinder Ferrari-Motor ist wohl der erfolgreichste, der in der Geschichte des Automobils je gebaut wurde. Er entstand 1947 als 1,5 Liter-Maschine mit 90 PS. Innerhalb der gleichen Außenmaße und mit einem kaum größeren Gewicht, wurde er bis zu einem Hubraum von 4 Litern und einer Leistung von 400 PS entwickelt. In diesem Jahr am erfolgreichsten war jedoch die neue 3,3 Liter-Version, die in Sebring, Le Mans, auf dem Nürburgring und in Reims siegte. Dieser 3,3 Liter-Motor ersetzt nunmehr den 3 Liter in der neuesten Version der Berlinetta, die zum ersten Mal auf dem Pariser Salon gezeigt wurde und die wir anläßlich eines Besuches in Maranello sehen, aber leider nicht fahren konnten. Dieser neue Wagen ist der erste, den Ferrari auf den Markt bringt von Rennwagen abgesehen —, der auch hinten eine Einzelradaufhangung aufweist. Mit seinem mit dem Differential zu einem Block vereinigten 5 Ganggetriebe ist er ein direkter Abkömmling der ,,Testa Rossa“-Serie der 1960—1962-Periode, also der letzten Frontmotor-Rennsportwagen von Ferrari. Wie für die früheren Typen wird die Karosserie von Scaglietti in Modena nach einem Entwurf von Pininfarina gebaut. Die Verarbeitung dieses ersten Exemplares war nicht gerade überzeugend. Abgesehen vom GTO-artigen Heck hat dieser neue Wagen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem ersten Berlinetta-Typ aus den Jahren 1956 bis 1957. Auf dem gleichen Fahrgestell von 2,40 m Radstand baut Pininfarina auch einen Spider, der sich stilistisch sehr an die 330 GT-Limousine anlehnt. Technisch unterscheidet sich dieser offene Wagen von der Berlinetta dadurch, daß er ,, nur“ drei Doppelvergaser anstatt sechs und normale Drahtspeichenräder hat, wahrend Ferrari für die Berlinetta nunmehr zu gegossenen Leichtmetallrädern übergegangen ist.
Den 4 Liter-Motor des 330 GT hat man im Interesse der Lebensdauer und der Geräuschlosigkeit um etwa 25 mm verlängert.
Im Frühjahr testeten wir einen der ersten 330 GT aus der Serienproduktion für die MOTOR-REVUE und konnten jetzt feststellen, daß diverse kleine Mangel, die wir an der Karosserie beanstandet hatten, in der Zwischenzeit behoben wurden. Obwohl der Wagen zur Zeit unserer Messungen nur 600 Kilometer zurückgelegt hatte, erreichten wir eine Höchstgeschwindigkeit von 234 km/h sowie folgende Beschleunigungswerte:
0—100 km/h in 6,9 s
0—120 km/h in 10,2 s
0—140 km/h in 12,9 s
0—160 km/h in 16,0 s
0—180 km/h in 22,3 s
0—200 km/h in 29,0 s
1 km mit stehendem Start 27,05 s
Der 330 GT ist heute der ,,langsamste” Ferrari, denn die neue Berlinetta ist bestimmt schneller (das Werk gibt 270 km/h an). Außerdem hat Ferrari aus dem 330 GT einen wirklichen Ausnahmewagen entwickelt, den er selbst ,,Super Fast” nennt. Kein Journalist wird jemals die Möglichkeit haben zu prüfen, ob die für diesen von Pininfarina sehr windschnittig ausgeführten Zweisitzer mit 5 Liter-12 Zylinder-Motor angegebene Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h wirklich erreicht wird, denn von diesem, in seinem Heimatland 80 000 DM teuren Wagen wird in jedem Monat nur ein Exemplar gebaut. Die Produktion von 14 Monaten ist heute schon verkauft.
Wird Lamborghini es schaffen?
Ob Lamborghini für Ferrari jemals ein ernst zu nehmender Konkurrent werden wird, ist eine Frage, die heute kaum beantwortet werden kann. Auch er hat einen wunderschönen 12 Zylinder-Motor anzubieten, der durch vier obenliegende Nockenwellen gesteuert wird. Ferrari hat nur zwei. Aber so gut der Motor auch sein mag, den Prestigewert eines Ferrari kann ein Wagen, der den Namen Lamborghini trügt, nur dann erwerben, wenn er im Renneinsatz erfolgreich ist. Und vom Sport will Ferruccio Lamborghini einstweilen nichts hören, obwohl seine ursprüngliche Absicht war, nur Rennwagen zu bauen, die für seine Traktoren- und Ölbrennerfabrik werben sollten. Für diesen Rennwagen wurde vorn ehemaligen Ferrari-Ingenieur Giotto Bizzarinni der 3,5 Liter-12 Zylinder-Aluminiummotor konstruiert, der später, als Lamborghini sich dazu entschloß, eine richtige Automobilfabrik zu gründen, für das Produktionsmodell herunterentwickelt wurde.
Der ganze Wagen wurde bewußt klassisch gehalten, um Kinderkrankheiten und Entwicklungsschwierigkeiten möglichst zu vermeiden und die Herstellungskosten in Schranken zu halten. Aus dem gleichen Grund werden Kupplung (Fichtel & Sachs), Getriebe (ZF), Sperrdifferential (Salisbury), Bremsen (Dunlop) und Lenkgetriebe (ZF) eingekauft. Das tragende Element ist ein aus Stahlrohren (meist rechteckigen Querschnitts) zusammengeschweißtes Fahrgestell. Die ursprünglich von Scaglione entworfene Karosserie wurde von Touring verfeinert, der mit der Fertigung beauftragt wurde. Trotzdem hat der Wagen nicht die Eleganz, die man von einem italienischen
Sportwagen erwartet.
Di Aufhangung erfolgt vorn und hinten durch Querlenker und Koni-Federelemente. Die gewählte Geometrie führt zu einer waagerechten Rollachse, die 100 mm über dem Boden liegt. Drehstab-Stabilisatoren sind vorn und hinten angebracht. Um zu starke Reaktionen auf die Lenkung zu ver-. meiden, erwirkt jedoch das Durchfedern vorn weniger negativen Sturz als hinten. Beim voll beladenen Wagen ist die Gewichtsverteilung 53/47.
Der Wagon entsteht in einer ganz neuen, eigens errichteten Fabrik mit Marmorfassade. Aber obwohl das Konstruktionsbüro mit Entwicklungsarbeiten und bisweilen auch mit noch etwas nebulosen Zukunftsplänen voll beschäftigt ist, ist die mit den modernsten Maschinen ausgerüstete Fertigungs- und Montagehalle recht ruhig. Fertige Zylinderblocke und -köpfe, Fahrgestellrahmen, Fahrwerksteile und die meisten fertigen Aggregate des Triebwerkes sind in bester Ordnung aufeinandergehäuft und warten auf die Lieferung von Karosserien. Touring hat heute mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und ist in seinen Terminen unzuverlässig geworden.
Im Gegensatz zum Prototyp, der in Genf gezeigt wurde, hat die laufende Produktion eine rein zweisitzige Karosserie; an Stelle des unbequemen dritten Sitzes ist nun eine gute Gepäckablagefläche getreten. Der Wagen, der uns für eine etwa 200 km lange Probefahrt zur Verfügung gestellt wurde, hatte jedoch noch den Notsitz und entsprach auch in weiteren Einzelheiten nicht der neuesten Ausführung. Manches war noch an ihm auszusetzen, so z. B. die Sitzposition, die dadurch unbequem gemacht wurde, daß die Pedale zu nah und die Lenksäule zu niedrig waren, so daß man nicht richtig wußte, wie die Knie im verfügbaren Raum noch eingepaßt werden sollten. Bei den jetzt kommenden Exemplaren soll die Pedalstellung geändert und die Lenksäule um 25 mm höher gesetzt werden. Auf schlechten Straßen rumpelte es noch etwas in der Hinterachse — was auch behoben werden soll —, und die Synchronisierung des II. Ganges war unzulänglich.
Die ganze technische Leitung des Werkes und die Entwicklung des Wagens liegt in den Händen eines nur 28jahrigen Mannes, Ing. Dali'Ara, der, bis er vor knapp zwei Jahren zu Lamborghini kam, unter Giulio Alfieri bei Maserati arbeitete. Unter seiner Leitung hat dieser recht ambitiöse Wagen einer dem Automobilwesen bisher gänzlich fremden Firma in kurzer Zeit einen schon recht ansehnlichen Entwicklungsstand erreicht. Der Motor, der bei 6500 U/min 270 (CUNA) PS leistet, ist nicht nur leistungsfähig, sondern auch ungemein elastisch und ruhig; die Lenkung ist meines Erachtens genau richtig abgestimmt: genug untersetzt, nicht zu schwergängig, aber noch schwer genug für einen schnellen Wagen. Die Scheibenbremsen mit doppeltem Kreislauf und zwei Servo-Anlagen sind das, was man erwartet. So- wohl der Fahrkomfort als auch die Straßenlage sind hervorragend. In den schnellen Kurven der Autostrada del Sole zwischen Bologna und Florenz wie auf kleinen Gebirgsstraßen läßt sich der Lamborghini leicht und schnell fahren und behält
sein im allgemeinen nur leicht untersteuerndes Verhalten bei, das durch Gasgeben oder -wegnehmen beliebig beeinflußt werden kann. Auch die Fahrleistungen sind recht imponierend, obwohl die von uns gemessenen Beschleunigungswerte nicht ganz an die des Ferrari 330 GT heranreichen. Einen Teil der Schuld daran hat bestimmt der zu große Sprung zwischen dem I. und II. Gang sowie die viel zu ,,lange“ Hinterachsuntersetzung des von uns gefahrenen Wagens. Ursprünglich war nämlich der V. Gang als reiner Schongang gedacht, in den man nur dann hinaufschaltete, wenn Autobahngeschwindigkeiten über 200 km/h eingehalten werden sollten. Bis 230 reicht nämlich auch der vierte Gang aus1 Praktisch hat ein so langer V. Gang keinen Zweck. Jetzt soll eine kürzere Untersetzung serienmäßig eingebaut werden. Leider gab es keine Möglichkeit, den Wagen auf einem Kilometer, weder mit stehendem noch mit fliegendem Start, zu messen, aber nach Eichung des Tachometers wurden 100 km/h in 8,6 s erreicht und 160 km/h in genau 20 s.
Obwohl der Lamborghini zweifellos ein sehr attraktiver Wagen ist, darf man sich doch fragen, ob eine Firma von der Produktion eines so teuren Autos, das nur zwei Sitze und keinen Namen hat, leben kann. Vom Standpunkt des fahrerischen Vergnügens ist der Wagen mit einem Radstand von 2,55 m, einer Gesamtlange von 4,62 m und einer Breite von 1,73 m groß ausgefallen. Der Konstrukteur saute baldmöglichst die Konsequenzen daraus ziehen. Nur wenig fehlt daran, einen guten 2 + 2-Sitzer aus ihm zu machen, der kaum größer und schwerer zu sein brauchte als Derjenige, der 45 000 DM für ein Auto ausgibt, will mit seinem Geld meist nicht nur einen Wagen, sondern auch Prestige kaufen. So hat ein Ferrari dank jahrelanger sportlicher Erfolge einen unendlich größeren Prestigewert ais ein Lamborghini. Mit seinem 12 Zylinder-Motor hat Lamborghini eine wunderbare Basis für einen sehr schnellen Rennsport-Prototyp; die Zeichnungen für einen solchen Wagen mit dem Motor im Heck liegen schon vor. Der Motor selbst wurde bereits so weit entwickelt, daß er in Rennausführung 360 PS zuverlässig abgibt. Immer noch will aber Commendatore Lamborghini von Sport nichts hören: ,,Erst so viel produzieren, daß die Fabrik selbständig leben kann; dann können wir über Sport reden”, ist seine Emsteilung. Wir glauben aber, daß nur dann genug Lamborghini-Wagen gebaut werden können, um die Produktion rentabel zu machen, wenn sie öffentlich gezeigt haben, daß sie mit den besten auf einer Ebene stehen. Sonst kann man die Marke gleich auf Pegaso umtaufen. Denn die spanischen Pegaso-Wagen wurden einst ebenso ,,unter Ausschluß der Öffentlichkeit” gebaut.
Maserati baut die schnellste viertürige Limousine
Wie wichtig es ist, neue Modelle zum richtigen Zeitpunkt herauszubringen, hat Maserati auf eigene Kosten erfahren. Die viertürige Limousine und das neue Coupé, die auf der letzten Turiner Ausstellung gezeigt wurden, haben die Nachfrage für die damals noch in Produktion stehenden älteren Modelle über Nacht stillgelegt. Bis die neuen Typen produktionsreif wurden — was volle fünf Monate dauerte —, verkaufte das Modeneser Werk keinen einzigen Wagen mehr.
Von den zwei von Giulio Alfieri entworfenen Typen ist die Limousine zweifellos die interessantere. Sie bietet vier sehr bequeme Sitze, eine ausgezeichnete Federung, große Laufruhe und sehr hohe Fahrleistungen. Konstruktiv wurde das durch die Verwendung einer selbsttragenden Karosserie und eines neuen 4,3 Liter-V8- Motors erreicht. Der Motor wird aus preislichen Gründen nicht durch ein Lucas-Einspritzsystem wie der 6 Zylinder, sondern durch vier Weber Doppelvergaser gespeist. Er ist trotz seiner Leistung von 270 PS außerordentlich kultiviert. Zusammen mit dem ZF 5-Ganggetriebe ist er in einem Fahrschemel aufgehangt, der die Vorderachse mit klassischen Querlenkern tragt und auf die Karosserie aufgeschraubt wird. Hinten stützt sich die Karosserie über Schraubenfedern auf eine de Dion-Achse, die in seitlicher Richung durch ein Watt-Gestänge geführt wird.
Auch eine Fünf-Personenbelastung konnte dem enormen Anzugsvermögen dieses Wagens nichts anhaben. Auf der Autobahn wurden 5000 U/min im V. Gang sehr schnell erreicht, was einer Geschwindigkeit von ungefähr 215 km/h entspricht. Der Tachometerzeiger stieg noch ziemlich schnell an, als Bertocchi, Maseratis legendärer Versuchsfahrer und Chefmechaniker, mahnte, die Reifen hatten für anhaltend hohe Geschwindigkeiten nicht genug Luft. Der Wagen soll eine Spitze von über 230 km/h haben, was ihn als die schnellste viertürige Limousine der Welt kennzeichnen durfte. Aber ebenso eindrucksvoll wie die Fahrleistungen sind die Richtungsstabilität und die Kurvenlage dieses bequemen, ganze 1700 kg schweren, aber nicht übermäßig großen Wagens, der in Bezug auf Laufruhe und Elastizität jedoch nicht die geringste Konzession an die Sportlichkeit macht. Nur einen Wunsch ließ dieser Maserati offen: Die Lenkung konnte nur dadurch leichtgängig genug gemacht werden, daß sie für schnelles Fahren zu stark untersetzt wurde. Eine Servolenkung wäre hier bestimmt am Platze und ist für die Zukunft, wenigstens als Option, auch vorgesehen. In einem solchen Luxuswagen erwartet man auch ein echtes Nardi-Lenkrad, nicht eine sehr mittelmäßig ausgeführte Nachahmung.
Während die Limousine eine völlige Neukonstruktion ist, lehnt sich das zweisitzige Coupé an die früheren Modelle an. Es hat u. a. den getrennten Rohrrahmen behalten. Der Radstand wurde jedoch auf 2,40 m gekürzt. Ursprünglich war man hinten zu Schraubenfedern übergegangen, aber stark asymmetrische Blattfedern ergaben schließlich bessere Resultate. Der Motor wurde durch die Vergrößerung des Hubes von 3,5 auf 3,7 Liter gebracht und ist nach wie vor mit Lucas-Einspritzung ausgerüstet. Seinem Charakter nach ist dieser Maserati eher ein schneller Reisewagen für Liebhaber als ein Sportwagen. Er ist sehr luxuriös ausgestattet und bietet ein sehr hohes Maß an Fahrkomfort und Geräuschlosigkeit. Freie Straßen und Autobahnen sind das Reich dieses 3700 GTI, von dem im Werk auch eine noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellte Cabriolet-Ausführung zu sehen war.
auto motor und sport 22/1964